Projekt SG 219 SL

Der erste Bus im Besitz der vier Gründungsmitglieder der IG Traditionsbus Südbaden ist ein geradezu typisches Freiburger Fahrzeug. Der Gelenkbus Kässbohrer-Setra SG 219 SL wurde 1987 an die Freiburger Verkehrs AG (VAG) geliefert und dort unter der Wagennummer 906 (Kennzeichen FR-SW 906) am 5.Oktober in den Bestand eingereiht. Er gehörte zur ersten Serie von insgesamt zwölf Gelenkbussen dieses Typs (Wagen 901-912), die vom städtischen Freiburger Verkehrsbetrieb bei Kässbohrer in Ulm beschafft wurden und bereits in den ersten Monaten des Linieneinsatzes aufgrund ihres hohen Komforts und ihres äußerst eleganten Erscheinungsbilds von den Freiburger Fahrgästen eine positive Resonanz erhielten. In den Jahren 1988 und 1993 wurden weitere insgesamt zwölf Exemplare beschafft (1988: Wagen 913-916; 1993: Wagen 917-924), so dass der Bestand an SG 219 SL bei der VAG ab 1993 schließlich 24 Fahrzeuge umfasste. Damit gehörte Freiburg zu den wenigen Städten in Deutschland, die diese formschönen Gelenkbusse in größerem Stil einsetzten (außer in Freiburg gab es den Setra SG 219 SL nur noch in Münster, Hamm, Neuss, Gießen und Ulm in nennenswerten Stückzahlen). Bis zum Erscheinen der ersten Niederflur-Gelenkbusse in Freiburg ab 1995 bildeten die SG 219 SL das Rückgrat der Freiburger Gelenkbuslinien,  u.a. in die Freiburger Stadtteile Herdern, Merzhausen/Au, St. Georgen oder Haslach/Weingarten.


KOM 906 im Originalzustand bei der Freiburger Verkehrs AG; links mit Werbung für "Bollerer" und rechts ohne Werbeträger, beides aufgenommen in Au, Endhaltestelle Selzenstraße.
© Slg. IG TS / Oliver Raddy

Mit der konsequenten Umstellung der VAG-Busflotte auf moderne Niederflurbusse wurden die 1987 in Dienst gestellten Wagen der ersten Serie (901-912) im Jahr 1999 bei der VAG ausgemustert; auch die Busse der beiden späteren Bauserien (913-924) waren bis spätestens Ende 2004 endgültig aus dem Freiburger Straßenbild verschwunden. Alle Fahrzeuge wurden verkauft, wobei lediglich unser Wagen 906 seiner Heimat treu geblieben ist: Nach seiner Ausmusterung bei der VAG gelangte er 1999 zum privaten Omnibusbetrieb Binninger aus Vörstetten nördlich von Freiburg, wo er auf das Kennzeichen EM-LN 55 zugelassen wurde.

Bei Binninger verkehrte der Bus seither fast ausschließlich im Schülerverkehr auf den Linien 203 (Reute – Denzlingen) und 204 (Gundelfingen – Umkirch). Im Jahr 2000 erhielt der Bus eine attraktive Ganzreklame für die Raiffeisenbank Gundelfingen, die in der Werkstatt der VAG im Betriebshof West aufwendig lackiert wurde (keine Klebefolie!) und auch heute noch das Fahrzeug ziert. Folglich wurde ab diesem Zeitpunkt die Linie 204 nach Gundelfingen zur Stammlinie des Busses, auf der er noch bis Mitte Juli 2010 planmäßig unterwegs war. Mit seiner ansprechenden Ganzreklame nutzte ihn die Raiffeisenbank Gundelfingen gelegentlich auch für Werbezwecke bei Veranstaltungen, beispielsweise bei Gewerbeschauen, die im Einzugsgebiet der Bank lagen.


Die Idee zum Kauf des Fahrzeugs kam den vier Gründungsmitgliedern im Rahmen einer Sonderfahrt der Internetplattform www.nahverkehr-breisgau.de am 17.April 2010.

Bild:
Unser Omnibus am 17. April 2010 im Rahmen einer Fotosonderfahrt in Freiburg-Lehen.

Heute ist der ehemalige Wagen 906 der letzte der früheren Freiburger SG 219 SL, der im Raum Freiburg noch existiert. Seine einstige Zugehörigkeit zur ersten Lieferserie der Freiburger SG 219 SL von 1987 macht ihn dabei zu einem besonders erhaltenswerten Fahrzeug, weshalb ihn die IG Traditionsbus Südbaden nun auch als ihr erstes Fahrzeug übernommen hat. Mit seinem Alter von derzeit 23 Jahren kann er zwar noch nicht als echter Oldtimer gelten, doch sein hoher historischer Wert ist schon heute absehbar: So ist unser Bus der erste Setra SG 219 SL überhaupt, der als historischer Omnibus erhalten wird. Zudem waren Gelenkbusse vom Typ SG 219 SL schon immer eine Seltenheit auf unseren Straßen – lediglich 277 Exemplare wurden zwischen 1985 und 1994 bei Kässbohrer in Ulm gebaut. Heute dürfte es in Deutschland schätzungsweise nur noch ca. 40 Exemplare dieses Typs geben – der Rest ist nach Osteuropa und Russland verkauft oder bereits verschrottet worden. Damit ist unser Bus nicht nur für die Region Freiburg, sondern auch überregional schon heute von hoher historischer Bedeutung.
 

 

Übernahme durch unsere IG und Wiederinbetriebnahme bei der Fa. Will
Nach der Übernahme von der Firma Binninger Mitte Juli 2010 wurde unser Setra vorerst abgemeldet und für mehrere Monate gesichert in Gundelfingen hinterstellt. Gelegentlich wurden mit dem Bus während dieser Zeit jedoch Bewegungsfahrten durchgeführt, um Standschäden zu vermeiden. Gleichzeitig bemühte sich die IGTS um ein neues Einsatzgebiet und nahm daher zu mehreren Omnibusbetrieben in der Region Kontakt auf. Freundlicherweise erklärte sich die Firma Will/Markgräfler Reisen aus Müllheim schon nach relativ kurzer Zeit bereit, eine Nutzung des Fahrzeugs wohlwollend zu prüfen und somit die IGTS beim betriebsfähigen Erhalt des Busses zu unterstützen. Im November 2010 weilte unser Setra daraufhin zum ersten Mal zur genaueren Begutachtung in der Werkstatt der Fa. Will in Müllheim. Dabei konnte insgesamt ein guter Gesamtzustand attestiert werden, auch wenn es einige Schäden - insbesondere durch Rost - gab, die es zu beseitigen galt, um den Bus wieder TÜV-fähig zu machen. Die IGTS und die Fa. Will konnten sich jedoch schnell auf die Behebung der Schäden in der Will-Werkstatt einigen. Im März 2011 wurde am Fahrzeug mit den notwendigen Arbeiten begonnen, um es wieder in einen technisch einwandfreien Zustand zu versetzen. So wurden an den Türen 1 und 2 die Trittstufen saniert bzw. erneuert, an denen sich altersbedingt schon ziemlich viel Rost angesetzt hatte. Die darauffolgende TÜV-Prüfung im Frühsommer überstand unser Bus problemlos, sodass er im Juni 2011 wieder angemeldet und bei der Firma Will auf sein nunmehr drittes Kennzeichen FR-H 906 zugelassen wurde.
Da die Firma Will selber mehrere Gelenkbusse im Linien- und Schülerverkehr einsetzt, fanden sich bei diesem Omnibusbetrieb geradezu ideale Einsatzbedingungen für unseren SG 219 SL vor. Die IGTS traf daher mit der Fa. Will eine Vereinbarung, den Wagen im Schülerverkehr wieder regulär einzusetzen. Mit Beginn des Schuljahres 2011/2012 übernimmt unser Bus seit dem 12. September 2011 frühmorgens an Mo-Fr planmäßig einen kleinen Schülerkurs von Schliengen (ab 7.05 Uhr) zum Schulzentrum Neuenburg (an 7.20 Uhr). Ansonsten erfüllt er bei Will den Zweck des Reservefahrzeugs. Durch die IGTS wird der "906" gelegentlich auch für Sonderfahrten oder zur Teilnahme an historischen Omnibustreffen genutzt. Instandgehalten wird unser Bus vom kompetenten Werkstatt-Team der Fa. Will, bei dem er sich in besten Händen befindet.

Mittelfristig strebt die IGTS in Abstimmung mit der Fa. Will an, den Wagen schrittweise wieder in sein ursprüngliches VAG-Erscheinungsbild in Rot-Weiß im Zustand von 1987 zurückzuversetzen. Dieses Vorhaben erfolgt in mehreren kleineren Einzelmaßnahmen - so wurden z.B. im Sommer 2011 zunächst die Werbeanschriften der Raiffeisenbank Gundelfingen entfernt, und der Bus präsentierte sich vorläufig "nackt" in seiner hellblauen Airbrush-Lackierung. Auch wurden mehrere vom Rost befallene Seitenbleche erneuert und grundiert, womit bereits erste Vorbereitungen für eine demnächst anstehende Neulackierung in Weiß getroffen wurden.
Aufgrund seines jahrelangen Einsatzes bei Binninger bzw. nun bei Will fast ausschließlich im Schülerverkehr ist die Gesamtkilometerlaufleistung unseres Busses trotz seines Alters überraschend gering – bei der Übernahme durch unsere IG hatte er erst rund 588.000 km seit seiner Inbetriebnahme zurückgelegt!

Was bedeutet überhaupt SG 219 SL ?

Ein kleiner Exkurs in die Nomenklatur der Fa. Kässbohrer lässt uns diese Bezeichnung etwas besser verstehen. Die Busse der Marke SETRA (Eigenname der Fa. Karosseriebau Karl Kässbohrer, Ulm - soll den SElbst-TRAgenen Wagenkasten hervorheben ) besitzen ein Typenschema, das sich in drei Bestandteile aufteilen lässt:
In unserem Falle steht der erste Bestandteil, das SG, schlicht für Setra Gelenkbus, so beginnen alle Typen der Marke Setra mit einem "S".
Der zweite Teil der Bezeichnung muss in sich noch einmal getrennt werden. Die erste Zahl, bei uns die 2, steht für die Setra-Baureihe 200, die ca. zwischen 1976 und 1995 im Kässbohrer-Werk Ulm gebaut wurde. Charakteristisch für diese Baureihe ist, dass sie sich von den zeitgenössischen Bussen anderer Hersteller total abhob, denn sie gehörte nicht zum sog. "VÖV - Standard", wie z.B. Busse der Firmen Mercedes-Benz oder MAN. Die Busse dieser Baureihe waren schnell durch den auffälligen schwarzen Grill auf der Front zu erkennen.
Die 19 in der Bezeichnung steht für die Anzahl der Sitzreihen im Fahrzeug.
Der dritte Bestandteil der Typenbezeichnung steht generell für die Einsatzart des Fahrzeugs, bei unserem Bus steht das SL für Stadt - Linienbus.
 

     
(v.l.) Der Bus bei der Abholung in Vörstetten, bei der Durchfahrt durch den Ort und beim Rückwärts Einparken an unserem damaligen provisorischen Abstellplatz in Gundelfingen.

     
(v.l.) Der Einstieg an Tür 2 wurde wegen Rostbefalls komplett durch einen neuen ersetzt. Im Juni 2011 fand seitens der IG eine intensive Innenreinigung des Busses statt, dazu gehört aber auch die Reinigung des neuen Kennzeichens! ;-)

 
Im Winter 2012/2013 wurden notwendige umfangreiche Karrosseriearbeiten vorgenommen, v.a. im Bereich der Radkästen. Nach Beendigung der Ausbesserungen wurde damit begonnen, bereits Front- und Heckpartie des Busses in seiner ehemaligen Orginalfarbgebung zu lackieren. Da diese aufwendigen Arbeiten natürlich nur bei freier Kapazität der Will-Werkstatt erfolgen kann, wird sich die Gesamtlackierung des Fahrzeugs über einige Monate hinziehen.

 
Front, Heck sowie die Fensterlinie waren im Herbst 2013 bereits komplett in die originale Farbgebung umlackiert worden.
Lediglich im Bereich der Radkästen waren noch Reste der hellblauen Farbe vorhanden.

     

im Frühjahr 2014 mussten am Nachläufer unseres Setra dringend erforderliche Schweissarbeiten vorgenommen werden. Die ursprünglich geplante Erneuerung des Radkastens an der dritten Achse musste aufgrund starken Rostbefalls im Unterboden auf die gesamte Karosserie des Nachläufers ausgedehnt werden. Leider musste der Bus hierzu mehrere Wochen zu Aufbauarbeiten in der Werkstatt verbleiben.

 

Bildergalerie :  Sanierung bei Fa. OMSA, Güstrow im Sommer 2016

 

03/2019: Mit großer Freude dürfen wir verkünden, mit Firma Rast-Reisen in Hartheim einen neuen kompetenten Partner für unseren Setra Gelenkbus gefunden zu haben.
Unter neuer Zulassung ist der Bus jetzt regelmäßig im Schulbuseinsatz zwischen Bremgarten und dem Schulzentrum Bad Krozingen anzutreffen.
Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit !


Fahrzeugdaten

Typ Kässbohrer-Setra SG 219 SL
Bauart Hochflur-Gelenkbus für den Linienverkehr
Hersteller Karosseriebau Karl Kässbohrer, Ulm
Datum der Erstzulassung 05.10.1987
Besitzer Freiburger Verkehrs AG [FR-SW 906] ( 05.10.1987 -  31.08.1999 )
Omnibusbetrieb Binninger, Vörstetten [EM-LN 55] ( 1999 - 16.07.2010 )
IG Traditionsbus Südbaden, Freiburg [o.Zul] ( 16.07.2010 - 31.05.2011 )
Will/Markgräfler Reisen, Müllheim  in Kooperation mit der IG Traditionsbus Südbaden [FR-H 906] (01.06.2011 - 2018)
IG Traditionsbus Südbaden, Freiburg [FR-CX 906 H] (seit Frühjahr 2018 - 03/2019)
Rast Reisen, Hartheim  in Kooperation mit der IG Traditionsbus Südbaden [FR-AR 96H] (seit 03/2019)
Kilometerstand bei Übernahme: ca. 588.000 km
derzeit ca. 597.000 km  (Stand: Januar 2016)
Gesamtlänge 17.420 mm
Breite

2.500 mm

Höhe 3.210 mm
Sitzplätze / Stehplätze 53 / 96
Anzahl Türen 3 (mit jeweils zweiflügeligen Innenschwenktüren)
Leermasse ca. 14,5 t
Höchstgeschwindigkeit 80 km/h
Motorleistung 177 kW/240 PS
Motor DB OM 447 h
Antrieb Heckantrieb im Nachläufer (Schub-Gelenkbus)
Getriebe ZF-Automatikgetriebe
Bereifung 80-%-Reifen (R 22,5)
Sicherheitssysteme ABS

Bilder und Text © IG Traditionsbus Südbaden (IG TS)